Nostalgie und Retrogaming ist für viele Spieler ein wichtiges Lebensgefühl. Gastautor DevilRon erklärt hier, warum er Retrogaming sogar als Zukunft des Hobbys sieht.
Um was geht’s überhaupt? Retrogaming, jeder hat es schon mal gehört, jeder weiß, was es damit auf sich hat. Für die einen bezieht sich dieser Begriff auf das erste „Mario Kart“- Spiel für den Super Nintendo, die anderen verbinden damit das erste Tekken und wiederum andere denken sofort an den Game Boy, die Dreamcast oder meinetwegen an den Commodore 64.
Welches Spiel oder welche Konsole als Retroprodukt bezeichnet werden kann, das ist umstritten. Klare Grenzen gibt es nicht, vielmehr repräsentiert Retrogaming ein Lebensgefühl à la: „Ah, das habe ich früher nach der Schule mit Freunden gespielt!“
Doch weshalb bin ich der Ansicht, dass Retrogaming immer beliebter und wichtiger wird? Hier ein paar Beispiele.
1. Retrogaming und die Popkultur
Das Offensichtlichste zu Beginn: Videospiele sind in der Gesellschaft angekommen. Das war vor beispielsweise 15 Jahren noch anders, zumindest bei uns.
Während in Ländern wie Japan Heimkonsolen unglaublich erfolgreich wurden, verbreiteten sich in den USA zahlreiche Videospiele in den Spielhäusern in Form von Arcade-Automaten. Zwar konnte man in Europa vereinzelt auch solche Phänomene wahrnehmen, doch erst in den letzten 10 Jahren ließ sich ein gewaltiger Aufschwung bei den Heimkonsolen beobachten.
Gründe für den Konsolen-Aufstieg gibt es viele: Unter anderem wurde mit Nintendos Wii wurde zum ersten Mal in der Geschichte der Videospiele jede Altersgruppe gezielt angesprochen. Sport- und Partyspiele dominieren diese Konsole – ein Spaß für die ganze Familie!
Pop-Kultur leistet Schützenhilfe: Erfolgreiche Serien wie Big Bang Theory drehen sich nahezu nur um die Retro-Kultur. Die Protagonisten zeigen, dass ein Leben als „Nerd“ auch verdammt cool und witzig sein kann.
Auch dürfen die Online-Stores der jeweiligen Konsolen nicht unterschätzt werden. Mit ihrer Hilfe bekamen Spieler leichten Zugang zu längst vergessenen Videospielen.
Wie war denn der Anfang der Serie? Mit zunehmendem Interesse für aktuelle Titel und Konsolen warfen die Spieler auch einen Blick in die Vergangenheit. Auf einmal ging es nicht mehr nur um Link aus „The Legend of Zelda: Twilight Princess“, man wollte auch seine Ursprünge kennenlernen, alte Teile der Reihe spielen und besitzen.
2. Retrobörsen
Der Flohmarkt boomt: Der Trend zu Klassikern lässt sich auf so genannten Retrobörsen, also Flohmärkte für alte Videospiele, leicht beobachten. Diese Märkte boomen, werden immer voller, immer angesagter, immer beliebter.
Ich habe Leute kennengelernt, die 500 Kilometer zurückgelegt haben, nur um einen solchen Markt in Oberhausen besuchen zu können. Dort gehen leidenschaftliche Sammler auf Jagd nach Raritäten und OVPs, lassen nicht selten etliche hunderte von Euros dort liegen, nur um ihre Sammlungen vervollständigen und erweitern zu können.
Leute wollen spielen, nicht nur sammeln: Doch geht es vielen Videospielern gar nicht darum etwas wirklich Seltenes ergattern zu können, wie eine aufwendige dekorierte Collector’s Edition, sondern vielmehr um Standardeditionen in gutem Zustand.
Wer einmal eine „The Legend of Zelda – Ocarina of Time“ (N64) Verpackung in seinen Händen hielt, der weiß wovon ich rede. Die Verpackung fühlt sich hochwertig an, die goldene Schrift samt Logo passen hervorragend zum schwarzen Hintergrund, es gibt kein riesiges USK-Logo, welches das Gesamtpaket verunstaltet.
Leute wollen was zum Anfassen
Handbücher sind begehrt: Weiterhin umfasst das Spiel eine Spielanleitung. Darin wird dem Spieler nicht nur die Steuerung erklärt, sondern ebenso die Welt, verschiedene Charaktere und Aufgaben. Ein Blick auf meine PS4 Sammlung verrät mir, wie sehr ich diese Aspekte vermisse.
Früher war’s schöner: Egal wie sehr ich Nier: Automata, Destiny oder Elex liebe, gegen die Boxen von früher mit Anleitung können diese lieblosen Standardverpackungen aus Plastik einfach nicht punkten.
Mit etwas Glück umfassen diese ein Blatt samt DLC-Codes und selten mal ein Wendecover ohne USK-Logo, mehr aber auch wirklich nicht, außer ich zahle nochmal zusätzlich 100 Euro für die Collector`s Edition oder im Falle von Nier:Automata oder Witcher 3 eine ganze Monatsmiete.
Qualität in Hinblick auf Verpackungen und Design haben heute ganz klar ihren Preis, das war früher nicht so.
3. Download vs. Retail
Download oder physische Version? Ein anderer Aspekt, der für Retrogames spricht, ist der zunehmende Wachstum von Spielen, die sich ausschließlich downloaden lassen. Keine Frage, vieles spricht dafür und Vorteile, wie die Final-Fantasy-Reihe, die sich auf Flohmärkten nicht immer so ganz leicht finden lässt, überwiegen an manchen Stellen. Doch für wie lange?
Beispiel PSP: Nehmen wir hier die Playstation Portable, kurz PSP, als Beispiel. Seit 2016 kann ich keine Spiele aus den PSN Store auf direktem Wege beziehen und mir diese auf die PSP laden. Über Umwege geht das schon noch, allerdings benötige ich hierfür entweder einen Computer oder eine Playstation 3 und ob man mir nun glaubt oder nicht, nicht jeder besitzt eines der beiden Gegenstände und wenn doch, bleibt es eine nervige Prozedur, bis ich das Spiel auf meiner PSP ziehe.
Was ist, wenn Steam offline geht?
Rechtlose Spieler? Wie wird das in Zukunft auf der PS4 oder auf Steam werden? Momentan ist nicht daran zu denken, dass diese Stores vielleicht eines Tages verschwinden werden, jedoch besitze ich hierfür auch keine Garantie und an manchen Stellen nicht mal irgendwelche Rechte, mit denen ich Anspruch auf meine virtuellen Spiele erheben kann.
Ja, natürlich gibt es immer irgendwelche Modder und Programmierer, die den Quellencode besorgen oder das Spiel von Grund auf neu zu erstellen. Doch möchte ich mich ungern auf illegalem Boden oder Grauzonen bewegen.
Besitzen ist besser als Lizenz haben: Beim Download eines Spiels bleibt für mich einfach ein ungutes Gefühl bestehen. Denn ich weiß, dass ich lediglich die Lizenz zum Spielen besitze, nicht mehr und nicht weniger.
Anders gesagt: Mir fallen vielleicht zwei oder drei Module und CDs ein, die mir runtergefallen sind und so beschädigt wurden, dass sie sich nicht mehr abspielen ließen. Dagegen fallen mir auf Anhieb 30 Onlinespiele ein, die eingestampft wurden und von der Bildfläche verschwunden sind. Ein Wiedersehen ist kaum möglich.
Firmen befriedigen Nachfrage nach „echten“ Games
Bewegung für mehr physische Editionen: Das ich mit dieser Einstellung nicht alleine bin, zeigt ein aufkommender Trend, der allmählich auf internationaler Ebene Fuß fasst: Spiele, die es bisher nur zum Download gab, werden nachträglich von kleineren, unabhängigen Firmen auf Scheiben gepresst und verkauft.
Hier lässt sich unter anderem „Limited Run Games“ aufzählen, ein Publisher, der sich genau diese Aufgabe vorgenommen hat. Die haben schon „Oddworld: Stranger’s Wrath HD“ auf UMD für die PS Vita oder „Firewatch“ auf Blu Ray für die PS4 veröffentlicht.
Diese Spiele werden sich bei guter Pflege vermutlich auch in 50 oder 60 Jahren spielen lassen, ob der PSN-Store diese auch nach so langer Zeit noch beinhalten wird, weiß ich einfach nicht, da es nicht in meinen Händen liegt. Übrigens: Beide genannten Beispiele sind bei Limited Run Games restlos ausverkauft.
4. Retrokonsole Mini
Zurück in die 90er: Mit dem NES Mini und dem Super Nintendo Mini hat Nintendo nicht nur die Herzen der Fans höherschlagen lassen, sondern auch für ordentliche Einnahmen gesorgt: Laut Finanzbericht von März 2018 konnte der Hersteller über 4 Millionen Einheiten auf internationaler Ebene verkaufen. Weitere Verkaufswellen sind seitdem erfolgt.
Alte Geräte heiß begehrt: Bei solch einem Erfolg ist es kein Wunder, dass auch andere Hersteller auf diesen Zug aufspringen wollten und ihre Mini-Retrokonsolen auf den Markt brachten. So gibt es beispielsweise vom Urgestein Commodore 64 ebenfalls eine Mini Variante samt Joystick.
Wundergerät Raspberry Pi
Das sich hier ein Trend in Hinblick auf Retrokonsolen oder Retrogames abzeichnet, zeigt sich vor allem in Foren oder auf YouTube: Wer keine der oben genannten Konsolen erwischen konnte, weil sie schnell vergriffen waren, der baut sich diese mit Hilfe eines Raspberry Pi.
Beim Raspberry Pi handelt es sich um einen Einplatinencomputer, der so groß ist wie eine EC-Karte. Darauf lassen sich verschiedene Programme abspielen, u.a. auch Retrogames. Doch aufgepasst: Wer lizenzierte Spiele herunterlädt und diese auf seinen Raspberry Pi abspielt, der begibt sich auf illegalen Boden und verstößt gegen die Urheberrechtsverletzung!
Nichtsdestotrotz gibt es auf YouTube zahlreiche Anleitungen für das Spielen auf dem Raspberry Pi. Besonders auffallend ist jedoch, dass zahlreiche Videos erst entstanden sind, als viele Mini-Retrokonsolen bereits vermarktet wurden. Das Interesse an Retrogaming wurde hier ein weiteres Mal entfacht.
Ist Retro ist die Zukunft?
Fazit: Eins vorweg, auch ich bin der Meinung, dass Retrogames nie und nimmer aktuelle Spiele verdrängen werden. Das Interesse an Fifa oder Call of Duty ist natürlich höher und das ist auch für mich absolut nachvollziehbar.
Nichtsdestotrotz gewinne ich immer mehr den Eindruck, dass in der Gesellschaft ein Umdenken in Hinblick auf Videospiele stattfindet. Es ist nicht nur die Nostalgie, die viele berührt, sondern auch die Qualität und die Quantität.
Eine negative Entwicklung auf dem Markt
Early Access und Patches gab es früher nicht. Wer auf den Super Nintendo ein Spiel veröffentlichen wollte, der musste dafür sorgen, dass das Spiel auch reibungslos lief. Natürlich gelang dies nicht immer, vor allem nicht, wenn ich an Spiele wie „Superman“ für den N64 denke, welches nahezu unspielbar war.
Aber nichtsdestotrotz kann ich eher sorgenfrei auf Retrogames zugreifen, als auf Neuware für aktuelle Hardware.
Cloud ist nichts für mich: Ich muss zugeben, dass ich kein Fan von der Cloud-Technologie bin. Mir ist zwar bewusst, dass diese viele Vorteile bieten, jedoch überwiegen für mich ganz klar die Nachteile. Wenn der Internetanbieter mal Probleme macht, wenn mal ein Sturm aufkommt und irgendeine Leitung beschädigt, dann werde ich nicht zocken können.
Bei Wartungsarbeiten werde ich selbst Offline-Titel nicht anrühren können, da diese gestreamt werden müssen. Weiterhin werde ich meine Spiele nicht verkaufen oder auf den Gebrauchtmarkt erwerben können.
Ja, das ist die Zukunft: Gebrauchte Spiele für 10 Euro, die vielleicht gar nicht mal so alt sind, werden in Vergessenheit geraten.
Sind wir selbst schuld?
User begünstigen negative Entwicklung: Wir dürfen nicht vergessen, dass wir als Konsumenten die Verantwortung tragen. Wir haben DLCs toleriert und gegenwärtig haben sich diese fest etabliert, während man sich parallel dazu über die extrem hohen Preise dieser Erweiterungen beschwert. Wir waren es, die Mikrotransaktionen akzeptierten und der Aufschrei kam erst mit „Star Wars: Battlefront II“. Wird sich dieser Fehler in naher Zukunft mit der Cloud-Technologie wiederholen?
Retro als Alternative: Ich jedoch kann auf jeden Fall nachvollziehen, weshalb gegenwärtig der Retromarkt für Videospiel boomt. Für die einen ist es Nostalgie, für die anderen sind vielleicht ein paar der oben genannten Aspekte essentiell, doch Fakt bleibt, dass Retrogaming deutlich an Aufschwung gewinnt und sich immer mehr Leute damit beschäftigen. Doch wo dies hinführen wird, weiß ich nicht.
Was glaubt ihr? Eure Meinung zu dieser Thematik würden mich sehr interessieren.
Dieser Gastbeitrag stammt von unserem Leser DevilRon1989.
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Source: Destiny 2 PC