
Venezuela steckt in einer wirtschaftlichen Krise, die Währung leidet unter einer steigenden Inflation. Der Wert des venezolanischen Boliívar ist sogar so tief gesunken, dass es sich für einige Familien lohnt, von der Ingamewährung eines deutschen MMORPGs zu leben.
Das 20 Jahre alte MMORPG Tibia erfreut sich in Ländern wie Brasilien, Venezuela oder Chile großer Beliebtheit. Das liegt vor allem an den niedrigen Hardware- und Internet-Anforderungen eines im Kern immer noch hochwertigen Online-Rollenspiels, das in all den Jahren eine loyale Community aufbauen konnte.

Suchinteresse zu Tibia nach Region. Quelle: Google Trends, Suchbegriff Tibia, letzte 24 Monate
Die große Spielerbasis, zum Teil auch in Europa, ist ein gefundenes Fressen für Goldhändler und Itemseller aus ärmeren Ländern, die sich Chancen ausrechnen, an etwas Geld zu kommen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.
Die Regierung im sozialistischen Venezuela geht strikt gegen die Aktivitäten der “Goldfarmer” vor, denn im Prinzip drucken die Goldfarmer damit selbständig Geld, das die Inflation der landeseigenen Währung “Bolivar” weiter vorantreibt. Dennoch haben einige Männer nun Einblick in ihr Handeln gewährt. Das legt die Probleme in Venezuela offen.
Venezolaner spielt 7 Tage die Woche, um Familie zu ernähren
Gegenüber dem Wirtschaftsmagazin Bloomberg erklärte ein 29-jähriger Grafik-Designer aus Venezuela, dass 7 Tage die Woche in einem Cyber-Cafe auf einem alten Röhrenmonitor spiele, um sich, seine Frau und Tochter über Wasser halten zu können. Dabei verkaufe er Gold oder aufgelevelte Charaktere für US-Dollar und Kryptowährungen. Das bringt zwar umgerechnet nur einige Dollar am Tag. Aber in Venezuela ist das immer noch mehr, als ein regulärer Arbeiter verdienen würde.
Ähnlich sieht es auch ein arbeitsloser Programmierer, der die letzten 5 Monate in Tibia verbracht hat:
„Es ist eine Schande. Ich hätte nie gedacht, dass eine Ingamewährung wertvoller werden würde als die eines Landes“
So berichtet ein Maurer, dass seine mühselige Arbeit für die Regierung geradeso für ein Frühstück gereicht hätte. Nun führe er eine Gruppe von Helden durch eine mittelalterliche Welt mit pixeligen Monstern. Was klingt besser?
Nur wehe, wenn das Internet ausfällt, wie zuletzt in einigen Stadtteilen Caracas’, der Hauptstadt Venezuelas. Für zwei Monate brach zwei Drittel des Einkommens eines Mannes weg, wodurch die Frau zum Ernährer der Familie werden musste.
Diese “Marktlücke”, hervorgebracht durch die Probleme des eigenes Landes, hat in letzter Zeit mehrere Unternehmen wie “Tibia Venezuela Coins” aus dem Boden sprießen lassen, die sich darauf spezialisiert haben, Tibia-Gold auf südamerikanischen Marktplätzen zu handeln. Im Tausch winken dafür andere Währungen. Insbesondere Kryptowährungen wie der Bitcoin erweisen sich als gute Investition, um nachhaltig an mehr US-Dollar zu kommen.
Das hat auch der Staatschef Venezuelas erkannt und überlegt derzeitig, eine eigene Digitalwährung namens “Petro” einzuführen, die gegen die Finanzkrise wirken und einen Zahlungsverkehr unabhängig von Banken ermöglichen soll.
Oldschool-MMOs wie Runescape oder Tibia ernähren Familien, machen Spiel kaputt
Die Goldfarmer aus Venezuela berichten: Ein Vorteil der Oldschool-MMOs sei es, dass sie größtenteils unbeobachtet bleiben würden. Es gäbe keine Hexenjagd wie bei neueren Spielen, in denen Ingamewährung mittlerweile auch direkt verkauft wird. Und auch wenn Accounts gebannt werden, so wäre es kein großes Hindernis, wieder neu anzufangen.
Ein Goldseller, der regelmäßig im Kult-MMO Runescape gebannt wird, würde sich über mehr Unterstützung seitens den Machern von Jagex freuen: “Sollten sie nicht eher stolz darauf sein, dass ihr Spiel mehrere Familien ernährt?”. Auf Anfrage erklärte Jagex, dass dies nicht möglich sei, denn das würde das Spiel zerstören.
Goldseller haben bekanntlich nicht den besten Ruf unter den Spielern. Das Ausmaß dieses Problems zeigte ein mittlerweile gelöschter Guide auf Reddit, der mit dem Namen “Killing Venezuelans” im Umlauf war.
Tibia ist ein 2D-MMORPG aus Regensburg, das im Jahre 1997 erschienen ist. Es schürt viele soziale Features um sich und erlaubt eine unendliche Charakter-Progression, die ein ewiges Spiel begünstigen. Es gehörte jahrelang zu den größten MMOs weltweit, erreichte in 2007 sogar fast 65.000 Spieler zur gleichen Zeit. Selbst heutzutage tummeln sich täglich noch ca. 15.000 Spieler zur gleichen Zeit auf den Servern.
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Source: Destiny 2 PC